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Was viele nicht wissen: Unter Chemnitz schlummert ein Vulkan. Wo heute der Zeisigwald Vögeln und andere Tieren ein Zuhause ist, ragte vor hunderten Millionen Jahren ein brodelnder Berg aus dem Boden. Ohne den wäre der Preis für das Fossil des Jahres vielleicht nicht so oft an unser Naturkundemuseum gegangen, sondern müsste einem in die Jahre gekommenen Bundestagsabgeordneten zugesprochen werden. Unter dem Waldboden ist es noch immer gemütlich, deshalb leben hier die Chem-Wichte, ein uriges Volk kleiner Gnömchen, die sich nur selten den Hundehaltern und Nordic Walkern an der Oberfläche zeigen. Ihre Leidenschaft ist – und deshalb wissen wir, dass ihre Nachfahren heute im Erzgebirge leben – das Schnitzen. Die meisten von ihnen sind grummelige Bergleute, die gerne unter sich bleiben. Du glaubst mir nicht? Dann möchte ich Dir die Geschichte erzählen, wie die Baumgesichter in den Zeisigwald kamen.
Einst gab es einen Chem-Wicht namens Gevin. Er war ein wenig anders als die anderen Wichte: Immerzu fragte er sich, was oberhalb der Erddecke war. Ob es dort Wesen gab, die anders aussahen als er, also größer als ein Maulwurf waren und keine knubbelig-runde Nase im Gesicht und mehr oder weniger als ihre drei Zehen an den Füßen hatten.
Eines Tages fragte Gevin seine Mutter, was dort oben sei. Doch die antwortete abweisend: „Vor 200 Jahren hat Dein Ururururgroßvater unseren Stollen verlassen und ward nie mehr gesehen! deine Ururururgroßmutter musste alle 33 Kinder alleine durchbringen, darunter auch deine Urururgroßmutter. Es war sehr schwer! Sehr!” Damit wusste Gevin, dass er von seiner Mutter nichts erfahren würde.
Eines Tages fasste er also selbst den Mut und schlich sich durch die Gänge der Stollen, als alle schliefen. Leise tapste er immer höher hinauf, bis die Luft nicht mehr so gemütlich und stickig war, sondern ganz frisch schmeckte. Endlich stand er vor dem Ausgang, vor dem seine Mutter ihn gewarnt hatte: Dahinter lag das, was die Chem- Wichte einfach „Jenseits” nannten, mit Schrecken in der Stimme. Die Tür aber ließ sich einfach aufdrücken, denn kein Chem-Wicht würde sie jemals öffnen – dachten sie bis heute.
Als Gevin nun nach außen trat, stand er direkt neben einem riesengroßen Ding aus Holz. Er wusste, dass das ein Baum sein musste, dessen Wurzeln sie als Sofas nutzten und aus denen sie Spielsachen für die Windelwichte schnitzten. Vor ihm bedeckten Blätter den Boden und riesengroße Tannenzapfen lagen neben ihm. Es war so hell hier oben und von der weiten blauen Decke leuchtete eine riesengroße Grubenlampe, die selbst durch die Äste hindurch zu sehen war.
Als Gevin blinzelnd so nach oben sah, merkte er nicht, dass sich ein Fellmonster ihm genähert hatte. Das schnüffelte an Gevin und als er das bemerkte, erstarrte er vor Schreck. Jemand rief: "Bruno, hierher!", und das zottelige Ungeheuer stürmte davon. Gevin war noch immer wie festgefroren, als ein Riese um die Ecke kam. Nun schoss Panik in ihm auf und der kleine Chem-Wicht öffnete das Loch am Fuß des Baums und er floh, hinunter in seine Welt. Der Riese? Tja, der war ich. Nur kurz konnte ich einen Blick auf das Gnömchen erhaschen. Doch am nächsten Tag fand ich das erste Baumstumpfgesicht im Zeisigwald. Seitdem sind immer wieder neue hinzugekommen, die uns Großen klar machen sollen, das mit den Chem-Wichten nicht zu spaßen ist!
Aber vielleicht hältst Du ja trotzdem die Augen offen, ob sich Gevin Dir und Deinen Freunden eines Tages zeigt?
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Text: Marcus Lehmann