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Jetzt redet Chemnitz

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Das kollektive Schweigen und Tabuisieren rund um das Thema Drogen in Chemnitz muss ein Ende haben. Wir müssen darüber sprechen und so haben wir die Chemnitzer dazu aufgerufen, von persönlichen Erfahrung zu berichten. Mit folgender Story soll es losgehen. Wenn ihr auch eine derartige Geschichte habt, meldet euch gern mit einer neuen, anonymen E-Mail Adresse unter info@371stadtmagazin.de

Wenn man in Chemnitz von Drogenkonsum redet, dann redet man irgendwie auch von mir. Ich bin weder ein besonders tragischer, noch kritischer Fall, aber halt doch exemplarisch dafür, was allgegenwärtig in unserer Stadt zu finden ist. Als ich so ungefähr 15 Jahre alt war, kam ich das erste Mal mit Drogen in Kontakt. Es ging dabei erstmal ganz harmlos um Cannabis, das ich seitdem regelmäßig konsumiere. Mit 16 Jahren habe ich dann mit Freunden in einem Club eine halbe Tablette Ecstasy probiert. Dabei bekam ich aber recht schnell Kreislaufprobleme und Nasenbluten; vielleicht auch der Grund, warum ich Ecstasy seitdem nicht nochmal probiert habe. Wiederum ein Jahr später ging es dann schon um das erste Mal Koks. Und das lief ehrlich gesagt genau so wie ich mir das immer vorgestellt hatte. Ich war wieder auf einer Party, trank viel Alkohol und wurde angesprochen, ob ich Lust hätte eine Line Koks zu nehmen. Neugierde hatte ich, gute Erfahrungen bisher auch, also warum nicht. Das war zwar nicht die beste Umgebung, um sowas zum ersten Mal zu machen, aber meine Freunde waren dabei und deshalb konnte irgendwie nicht viel schiefgehen. Man denkt auch erstmal, man kennt die Gefahren gut. Ich achtete immer darauf, dass ich chemische Drogen nur konsumierte, wenn Leute dabei waren denen ich vertrauen konnte und die auch fast immer nüchtern waren, um im worst case, falls ich einen Bad Trip oder gar eine Überdosis haben sollte, auf Hilfe zählen konnte.

2019 dann die nächste Begegnung. Ein Freund von mir kam gerade von einem Festival zurück und hatte eine Menge an Drogen dabei. Binnen einer Nacht also probierte ich Speed und Pep aus. Beides in Kombination mit Alkohol. Und das obwohl ich wenige Stunden später in der Schule sitzen musste.

Generell kann ich sagen, dass die Entscheidung Drogen zu nehmen immer von mir selbst ausging. Nie wurde ich gedrängt und auch nie drängte mich Unsicherheit und die Angst davor uncool zu sein, wenn ich nicht konsumiere, dazu „JA“ zu sagen. Um ehrlich zu sein, hatte ich auch nie Angst davor Drogen und besonders chemische Substanzen auszuprobieren, eher bestand da immer ein großes Interesse daran.

Ich verstehe, dass es auf den ersten Blick so klingen mag, als würde ich für das Ausprobieren verschiedener Drogen, vor allem in jungen Jahren, werben oder dies verharmlosen wollen. Aber letztlich hatte ich einfach nur Glück. Glück, dass ich nie einen Bad Trip hatte und Glück, dass ich mich zu jeder Zeit auf ein gefestigtes und liebevolles Zuhause verlassen konnte. Ich hatte nie wirklich Probleme, weder in meiner schulischen Laufbahn noch Zuhause. Jedoch kämpfe ich seit vielen Jahren gegen eine Depression an und wurde abhängig. Zwar „nur“ von Gras, jedoch abhängig. Am Ende war ich pleite und ging quasi nur noch arbeiten, um mir meine Sicht zu finanzieren. Also versuchte ich mich selbst auf einen kalten Entzug zu setzen, doch bis heute bin ich nicht clean. Für chemische Substanzen habe ich allerdings nie selber Geld ausgegeben und konsumiere diese auch nur alle paar Monate. Da ich aber, besonders in meinen eigenen Kreisen, in den letzten Jahren beobachten konnte, wie sich sowohl der Zugang zu Drogen an sich und im Gegenzug, aber auch die Hemmschwelle und die Häufigkeit der Trips drastisch veränderten, mache ich mir mittlerweile doch ernsthafte Sorgen um meine Generation und noch mehr um die Jüngeren unter uns.

Besonders um die Personen, die den sozialen Rückhalt, wie ich ihn hatte, nicht kennen. Dort kann eine Anhängigkeit schnell tragischer aussehen. Irgendwie sollte man da echt was machen. Letztlich kannst du niemanden davon abhalten, seine Erfahrungen zu sammeln , doch es muss präventiv aufgeklärt und das kollektive Schweigen und Tabuisieren durchbrochen werden. In der Schweiz beispielsweise gibt es Teststellen, die vor Clubs aufgebaut werden, in denen man anonym seine Drogen testen lassen kann. Das bedeutet es wird untersucht, ob das Zeug „sauber“ ist. Damit kann wenigsten verhindert werden, dass jemand auf Grund der Qualität schaden nimmt. Das fände ich auch in einer Stadt wie Chemnitz super wichtig.

Text: Anonym / Bild: Gras Grün

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