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Heiße Sache, diese Klimakrise. Erst im August hatten wir wieder unter 34 Grad zu leiden. (Für alle Kneipenquizler unter euch, der absolute Hitzerekord in Chemnitz liegt übrigens bei 37,8 Grad, aufgestellt im August 2012). Da half auch nicht mehr viel, außer vor dem heimischen Ventilator zu verschwinden oder die Wünschelrute auf das nächste Gewässer auszurichten.
Karl Marx und die Wünschelrute Wenn seit dem Vergleichszeitraum 1960-1990 in Chemnitz bereits eine erhöhte Jahresdurchschnittstemperatur von 1,1 Grad nachzuweisen war und das sächsische Landesamt für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie bis zum Jahr 2100 insgesamt sogar einen Anstieg um 4,6 Grad prophezeit, sollten wir dann einfach gleich aufgeben? Alle werfen ihre Hände in die Luft, jeder bekommt eine Klimaanlage und nach uns die Sintflut. Problem gelöst… oder zumindest vertagt und was du heute kannst besorgen, das können unsere Kinder auch morgen noch in den Abgrund stoßen, während sie laut verfluchen, was wir getan oder eben auch gelassen haben.
Umdenken ist angesagt: die Woche der Klimaanpassung will daher auf lösungsorientierte Initiativen hinweisen. Eine Aktion, die deutschlandweit aufzeigen soll, welche Maßnahmen getroffen werden können und darüber informiert, dass dieses Thema vielfältige Aspekte hat mit denen wir unser eigenes Schicksal dann doch wieder etwas direkter in die Hände nehmen können. Wir haben uns mal umgehört, welche spannenden Themen und Initiativen es in diesem Kontext auch in Chemnitz so gibt, hilfreich zusammengefasst in der „Mach’s Grüner“-Kampagne der Stadt Chemnitz.
Der Nischel und der Gablenzbach
Der Urban Nature Walk am 17.9. beinhaltet neben dem Stadtrundgang gleich diverse Impulsvorträge rund um das Thema lebenswerter Chemnitzer Stadtnatur. Ein besonders spannendes Thema ist das Bachrauschen am Nischel. Wenn wir also vor dem dickköpfigsten Betonschädel der Stadt bei der nächsten Hitzewelle unsere Wünschelrute ausrichten, werden vielleicht einige mit Verwunderung feststellen, dass unser hochpräzises Instrument direkt vor uns in den Boden zeigt. Dabei handelt es sich nicht um Abwasserkanäle, sondern tatsächlich fließt einer der größten städtischen Zuflüsse der Chemnitz, der Gablenzbach, direkt vor und unter unseren Füßen an der Büste vorbei, ohne dass der gute Karl dieses Gewässer jemals zu Gesicht bekommen hat.
Ein Nebenprodukt der Industrialisierung war die massive Verschmutzung von Gewässern, die mit Chemikalien, Blei, Düngemitteln oder Abwasser die Flüsse oft stark verfärbten und anfingen, unangenehm zu riechen. 1920, also bereits 50 Jahre vor dem Bau des Karl-Marx Monuments, hielt man es anscheinend für die beste Lösung, den Gablenzbach tiefer zu legen und mit einem 3,3 Kilometer langem Gewölbe zu bedecken, bevor dieser später sogar komplett in ein Rohr verlegt wurde. Neben den offensichtlichen Vorteilen einer begrünten und bewässerten Innenstadt, welche wiederum bei den Zielen der städtischen Klimaanpassung und Artenschutz dient, ist in der Europäischen Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) sogar festgelegt worden, dass alle Gewässer einen „guten Zustand“ erreichen müssen. Das wiederum würde eine Freilegung des Baches voraussetzen. Stadtpolitisch wurde dieses Thema oft nicht ernst genommen, weil die Umsetzung als unmöglich galt.
In einer 2020 durchgeführten Machbarkeitsstudie, beauftragt vom Umweltamt Chemnitz, wurde ein Konzept erarbeitet, das dieses Vorhaben dann endgültig als machbar eingestuft hat. Noch sind keine konkreten Umsetzungspläne getroffen worden, aber bei erhöhtem Interesse und vermutlich auch ein klitzeklein wenig Druck aus der Bürgerschaft, wird das Thema sicherlich wieder den Weg in die ein oder andere Stadtratssitzung finden. Viele Bürger und auch Stadträte wissen nicht um dieses Thema, also sprecht darüber und informiert andere, wenn ihr diese Idee spannend findet.
Die gute Saat als Saatgut
Am 19.9. könnt ihr dann 16:30 Uhr an einer öffentlichen Führung in einem der unbekannteren Kleinode unserer Stadt teilnehmen dem Saatgutgarten. Abgeschirmt von hohen Hecken und etwas befremdlich wirkenden Containern, wirkt dieser Bereich auf den ersten Moment zugegebenermaßen von außen nicht besonders einladend. Sobald man das Gelände betritt, wird man allerdings von einer Vielzahl an blühenden Blumen und Gräsern begrüßt, von denen man hier in diesem versteckten Naturparadies einige vermutlich zum allerersten Mal zu sehen bekommt.
Der Saatgutgarten ist eine Initiative zur Renaturierung, bei dem Blumen und andere Pflanzen gepflanzt und die Saat sorgfältig geerntet werden. Diese verschiedenen Saaten werden dann als Mischung für verschiedene Flächen in der Stadt bereitgestellt. Warum wir nicht einfach Saatmischungen aus dem Baumarkt verwenden, erklärt Gunter Holz, Sozialarbeiter im Saatgutgarten wie folgt: „Chemnitz hat tatsächlich besondere Herausforderungen für Pflanzen. Wir haben einen recht lehmigen Boden, der für viele Pflanzen nicht unbedingt geeignet ist. Wenn wir also Saatkörner verwenden, die in torfreichen Gebieten aus Norddeutschland geerntet wurden, ist die Chance weit geringer, dass die Pflanzen bei uns auch gedeihen.“ Außerdem wird durch die nachhaltige Planung und Verteilung des passenden Saatgutes die Artenvielfalt von Bienen und Schmetterlingen gesichert, so wie der Wildbiene, für die kleinere Blumenoasen lebenswichtig sind, da sie nur in einem Umfeld von 200 Metern Pollen sammeln, oder auch für den Ameisenbläuling, der seine Eier ausschließlich auf die Blüten des großen Wiesenknopfes legt. Der Saatgutgarten ist ebenfalls ein Sozialprojekt, bei dem z. B. Langzeitarbeitlose wieder an Arbeit herangeführt werden und sich wieder etwas Vertrauen aufbauen für weitere Schritte ins Berufsleben. Der Garten ist vor allem vormittags besuchbar und bei Voranmeldung geben die Projektleiter auch gern eine Führung durch die vielen Kleinode dieser versteckten Oase.
Neben Müllsammeln im Kappelbach, Diskussionen zu Stadtmobilität und Schulwegen, dem jährlichen STADTRADELN und der Ausstellung zum Umweltpreis, gibt es noch viele große und kleinere Aktionen, die informativ durch den Aktionszeitraum führen.
Weitere Aktionen zur Woche der Klimaanpassung findet ihr unter www.chemnitz.de/stadtnatur
Text: Marco Henkel / Foto: Auszug aus der Machbarkeitsstudie der schulze + rank Ingenieurgesellschaft