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Niemand hat das Recht, über deinen Körper zu bestimmen.

Veröffentlicht am:

Du hast das Recht auf Schutz, Hilfe und Respekt!

Im letzten Jahr verzeichnet das Bundeskriminalamt 13.200 Vergewaltigungen, sexuelle Nötigungen und sexuelle Übergriffe im besonders schweren Fall einschließlich mit Todesfolge. Davon wurden 11.244 Fälle aufgeklärt. Das ergibt eine Aufklärungsquote von 84%. Eine ebenfalls gute Aufklärungsquote verzeichnete Chemnitz im Jahr 2024. Von 22 zur Anzeige gebrachten Straftaten wurden 17 aufgeklärt. Was sich im ersten Moment gut anhört, hat letztlich recht wenig mit der Realität zu tun. Experten gehen nämlich von einer deutlich höheren Dunkelziffer aus. Susanne Hampe, Geschäftsführerin des Vereins „Bellis - Opferschutz und Gewaltprävention“ und Mitglied im „Koordinierungskreis gegen sexualisierte Gewalt Leipzig“ spricht sogar davon, dass 85-95% aller Vergewaltigungen nicht angezeigt werden und dementsprechend auch nicht in dieser Statistik auftauchen. Viele Betroffene von sexualisierter Gewalt zögern, sich direkt an die Polizei zu wenden. Sei es aus Angst, Scham oder Unsicherheit. Genau hier bietet das Klinikum Chemnitz neuerdings eine wichtige Unterstützung: Seit einer bundesweiten Gesetzesänderung im Jahr 2020 haben Betroffene die Möglichkeit, anonym, kostenlos und unter ärztlicher Schweigepflicht Spuren und Verletzungen sichern zu lassen, ohne sofort Anzeige erstatten zu müssen. Die gesicherten Beweise werden für ein Jahr aufbewahrt. Innerhalb dieses Zeitraums kann die betroffene Person frei entscheiden, ob sie einen juristischen Weg einschlagen möchte. Wird dieser Schritt gewählt, können die bereits gesicherten Spuren in das Strafverfahren eingebracht werden.

Seit September 2025 ist das Angebot in Chemnitz rund um die Uhr verfügbar. Wie in der Infobox beschrieben, ist es wichtig, wenn möglich ungewaschen und in der zum Tatzeitpunkt getragenen Kleidung ins Klinikum zu kommen, um Spuren bestmöglich sichern zu können. Betroffene können sich bei der Untersuchung von einer Begleitperson ihres Vertrauens unterstützen lassen. Dieses vertrauliche Angebot schafft einen sicheren und geschützten Rahmen, in dem Betroffene in einer Ausnahmesituation selbstbestimmt medizinische Hilfe erhalten und Beweismaterial sichern lassen können.

Unsere Redakteurin Paula Thomsen hat sich mit der Oberärztin Frau Dr. Johanna Rose von Klinikum Chemnitz unterhalten.

Was passiert bei der Untersuchung und wie lange dauert diese in der Regel?

“Die Untersuchung muss man sich vorstellen wie eine gynäkologische Vorsorgeuntersuchung. Zunächst findet in einem vertrauten und intimen Rahmen ein Gespräch statt und im Anschluss eine gynäkologische Untersuchung, bei der Abstriche gemacht werden. Die Untersuchung dauert etwa eine halbe Stunde.“

Welche medizinischen Untersuchungen und Schutzmaßnahmen werden angeboten?

“Angeboten werden können Schutzmaßnahmen, die zum Beispiel eine ungewollte Schwangerschaft betreffen. Sprich man kann die Pille danach bei uns erhalten, wenn das gewünscht wird. Man kann aber auch Abstriche entnehmen lassen, um sexuell übertragbare Krankheiten auszuschließen. Allerdings braucht es dazu meist einen Folgetermin beim behandelnden Gynäkologen.“

Wie gehen Sie und Ihr Team mit Menschen um, die stark traumatisiert oder verängstigt sind?

“Der Vorteil bei mir und meinem Team ist, dass wir uns in unserem Beruf mit vielen solchen Grenzsituationen auseinandersetzen müssen, so dass wir versuchen, sehr empatisch auf die Betroffenen zuzugehen und eine Vertrauensbasis herzustellen. Bei Bedarf vermitteln wir psychologische Unterstützung.“

Können auch Menschen ohne Krankenversicherung oder Aufenthaltstitel die Untersuchung in Anspruch nehmen?

“Die Spurensicherung steht allen Frauen zur Verfügung, unabhängig davon, ob sie versichert sind und welchen Aufenthaltstitel sie besitzen. Um im Anschluss jedoch gut betreut zu werden, zum Beispiel bei der Diagnostik von sexuell übertragbaren Krankheiten, ist eine Krankenversicherung notwendig."

Gibt es spezielle Regelungen für Minderjährige?

"Minderjährige können sich auch ohne erwachsene Begleitung bei der vertraulichen Spurensicherung vorstellen.“

Was wünschen Sie sich gesellschaftlich im Umgang mit sexualisierter Gewalt?

„Ich wünsche mir, dass dieses Thema mehr wahrgenommen wird, aber ich habe das Gefühl, dass sich dahingehend in den letzten Jahren viel getan hat. Prinzipiell wünsche ich mir ausreichend Anlaufstellen, wie die Opferhilfe in Chemnitz.“

Sexualisierte Gewalt kann jede Frau treffen, unabhängig von Alter, Herkunft oder Lebenssituation. Wichtig: Die Verantwortung liegt immer beim Täter. Wenn dir etwas passiert ist, hast du Rechte und Möglichkeiten, Unterstützung zu bekommen - anonym, kostenlos und rund um die Uhr.

1. Medizinische Hilfe & Spurensicherung

  • Wenn möglich, nicht duschen, nicht die Kleidung wechseln – so können Spuren gesichert werden.
  • Du kannst jederzeit in die Notaufnahme der Klinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe (Flemmingstraße 4) gehen.
  • Dort wird vertraulich und kostenlos medizinisch versorgt und Spuren gesichert.
  • Du musst keine Anzeige erstatten, um Spuren sichern zu lassen.

Notaufnahme Klinikum Chemnitz: 0371 / 333-0

Klinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe in der Flemmingstraße 4: 0371 33322200

2. Vertrauliche Beratung & Unterstützung

Du kannst dich an Beratungsstellen wenden, auch wenn du (noch) nichts melden möchtest.

  • Fachkräfte hören zu, beraten zu medizinischen, rechtlichen und emotionalen Fragen.
  • Gespräche sind vertraulich und auf Wunsch anonym.
  • Du entscheidest, was der nächste Schritt ist.

Wildwasser Chemnitz e.V. - Verein gegen sexualisierte Gewalt: 0371 350534

Hilfetelefon Gewalt gegen Frauen (bundesweit, 24/7): 08000 116 016
(mehrsprachig und anonym)

3. Anzeige – nur wenn du möchtest

  • Eine Anzeige kannst du jederzeit, musst sie aber nicht sofort erstatten - auch später noch, wenn Spuren gesichert sind.
  • Niemand darf dich dazu drängen.
  • Polizei und Opferhilfe unterstützen dich, wenn du diesen Schritt gehen willst.

Polizei (Notruf): 110
Opferhilfe Sachsen: 0371 4331698

4. Was jetzt wichtig ist

  • Du bist nicht schuld.
  • Du darfst dir Zeit lassen.
  • Du musst das nicht allein schaffen
  • Unterstützung zu suchen ist ein Zeichen von Stärke – nicht von Schwäche.

    Text: Paula Thomsen | Grafik: Marco Henkel
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