⚠ Diese Webseite wurde nicht für Internet Explorer 11 optimiert. Wir empfehlen Mozilla Firefox , Microsoft Edge oder Google Chrome.

Das Web-App-Mag
Immer auf Tasche

Magazin

Nudeln mit Ketchup und kein Vergnügen

Die Geschichte eines jungen Designers aus Chemnitz

Veröffentlicht am:

Was es bedeutet, als junger Mensch Träume zu haben und für diese in einer Stadt wie Chemnitz zu kämpfen, erzählte Ramy Töpperwien unserer Redakteurin Paula Thomsen.

—---------------------------------------------------------------------

Wir trafen uns einige Male zu Interviews in Ramy Lieblings Bar, denn seine Geschichte ist komplexer, als es auf den ersten Blick scheint. Bisher hat er noch nicht so offen gesprochen, sodass selbst seine engsten Freunde unerwartetes lesen werden, so sagt er. Ramy Töpperwien alias Ramy Chris (sein Künstlername) ist 25 Jahre alt, führt sein eigenes Modelabel und eine Agentur für Fotografie, Videograf und Marketing.

All das begann im Wohnzimmer, als er 5 Jahre alt war. Durch seine ältere Schwester lief der Fernseh-Musiksender MTV hoch und runter. Sofort begeisterte er sich für Musik, die Mode und vor allem den Hip Hop, dessen Dance Moves er so enthusiastisch imitierte, bis seine Mutter ihn in die Tanzschule schickte. Von da an tanzte Ramy professionell und wurde 2013 deutscher Meister. Alle in seiner Tanzgruppe waren älter als er und trugen demnach auch andere Kleidung, eben Kleidung, die Hip Hop war. Er wusste, so wollte er auch aussehen.

Ramy wuchs nur mit seiner Mutter und seiner Schwester auf, viel Geld gab es nie. „Damals waren es Takko, C&A und H&M“, erzählt er. „Ich habe mir Klamotten viel zu groß gekauft, damit es wenigsten ein bisschen nach Oversize und Streetwear aussah, eben so wie die amerikanischen Rapper in ihren Musikvideos.”

Ramy ging in Zschopau zur Schule, wurde dort aber aufgrund seiner Herkunft und seines Aussehens gemobbt und beschloss in der 9. Klasse die Schule zu wechseln. Dort lernte er seinen heutigen besten Freund und Geschäftspartner Lucky kennen. Die beiden teilten sich die Passion für Mode und fingen an, sich gegenseitig für Instagram zu fotografieren. Für ihn persönlich war das der maßgebliche Meilenstein, denn während er von den meisten Chemnitzern dafür als Clown bezeichnet wurde, bekam er auf Instagram immer mehr Zuspruch. In Chemnitz war er zu dieser Zeit einer der wenigen in seiner Altersklasse, die sich in ihrem Stil von amerikanischen Rappern inspirieren ließen. „Chemnitz cancelte mich und meinen Kleidungsstil.“ Die Ausgrenzung aber pushte ihn umso mehr, sein eigenes Ding durchzuziehen, bis man auch hier merkte, dass das doch ganz cool sein kann.

Dennoch schienen sich die meisten nicht zu trauen, ebenfalls solch „extravagante Kleidung“, sprich unter anderem Hoodies und Shirts zu tragen, die sich vor allem am amerikanischen Hip Hop orientierten. „Keiner hätte sich eine Prada-Brille gekauft, damit er nicht als abgehoben abgestempelt wird oder hätte gewisse Pieces niemals auf Arbeit angezogen.“ Für den Erfolg war diese Phase seines Lebens, die immer wieder von Ablehnung gezeichnet war, maßgeblich für den heutigen Erfolg. „Wie auch ich, konnten sich viele in meinem Alter Streetwear nicht leisten. Ich war ständig damit beschäftigt nach günstigeren Alternativen zu suchen, also fragte ich mich, warum ich es nicht einfach selber mache.“ Nicht nur diese Idee trägt heute Früchte, auch der Name des heutigen Labels „wayn“ orientiert sich an seinem früheren Mindset. „Why are you not?“, also „Warum bist du nicht einfach der, der du sein willst?“, „Warum trägst du nicht das, was du tragen willst?“ Mittlerweile ergänzt jede Kollektion diese Fragen mit Eigenschaften, wie zum Beispiel „Why are you not lovely?“ oder „Why are you not savage?“.

Während seiner Abi-Zeit wuchs der Wunsch nach einer eigenen Marke, also entschied er sich 2020 seine erste Kollektion herauszubringen. Zwar war es nur eine kleine Anzahl an einfarbigen Hoodies, Shirts und einer Weste, doch verfolgte Ramy damit hauptsächlich das Ziel, Aufmerksamkeit zu erregen. Danach erstmal Ernüchterung: Die Corona-Pandemie machte auch vor jungen Unternehmen keinen Halt, also begann ein kostspieliger Kampf. Inmitten seiner Ausbildung musste er daher einen 15.000€ Kredit aufnehmen, denn nur große Konzerne mit genügend Kapital wurden weiterhin beliefert. Also saß er im Alter von 22 Jahren schließlich mit einem enormen Berg an Schulden da. „Nun musste ich von meinem Gehalt einen Kredit, mein Auto und mein tägliches Leben bezahlen.“ Aber da war ja noch Social Media, auf dem er abliefern musste, denn dort wuchs auch eine Fanbase, die erwartete, dass Ramy nur das Neueste und Beste trägt. „Aber eigentlich konnte ich mir das gar nicht leisten zu dieser Zeit.“ Es hieß also, Nudeln mit Ketchup und kein Vergnügen. Auch unabhängig von der Pandemie: Unternehmen aufbauen kostet - Markenschutz, Onlinehandel, Models, Versand, die bewusste Entscheidung, Kleidung in Deutschland zu produzieren und mehr. Trotz aller Startschwierigkeiten schaffte es Ramy durch diese Zeit, aus eigener Tasche und mit viel Arbeit. „Ich sparte nicht nur an jeder Ecke, sondern arbeitete auch viel nebenbei, so räumte ich beispielsweise auf einem Festival Müll auf. Ich wusste immer, wofür ich es mache.“ Und siehe da: Ein Jahr später lud man ihn als Special Guest auf ein Festival ein.

Heute blickt er stolz auf die letzten Jahre zurück und weiß was er erschaffen hat. Seine Kollektionen, die sich inzwischen im ganzen Land verkaufen und mitunter auch bekannte Gesichter der Musikszene, wie Farid Bang oder Pietro Lombardi tragen, werden immer ausgefallener und noch immer macht er alles selbst: Designs, Qualitätsprüfung, Verpackung und Versand. Ganz nebenbei gründete er noch eine Agentur für Fotografie, Videografie und Marketing. Und all das neben einem 40-Stunden-Job. Mit all dem möchte Ramy zeigen, dass man selbst, wenn man aus einer so kontroversen und vergleichsweise kleinen Stadt kommt, alles schaffen kann: „Ich bin froh, dass ich heute finanzielle Freiheit habe.“

Zuletzt erzählte er, dass er viele motiviert habe, die eigenen Träume zu verwirklichen und wünscht sich, dass die Menschen sich mehr zutrauen würden. „Ich sehe hier viele, die nicht wissen, was sie vom Leben konkret erwarten können.“ Zukünftig wünscht er sich, dass die verschiedenen Chemnitzer Szenen aufeinander zugehen, gemeinsame Sache machen und so nachhaltig das Stadtklima und Image aufwerten.

Instagram: ramychrisss | wayn.clo

Website: waynclothing.com

Text: Paula Thomsen | Foto: Lucky Shoota

Zurück