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Rock und Tinte

Eine Chemnitzer Erfolgsgeschichte

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Über die Kennzeichnung von Sträflingen, der Verbildlichung der eigenen Religion oder einfach nur als Körperschmuck – Tätowierungen haben einen langen Weg in die Jetzt-Zeit zurückgelegt. Nur lassen sich die Gezeichneten heutzutage nicht mehr so leicht in ein jeweiliges Milieu zwängen. Anders ausgedrückt: Nicht jeder Seemann ist tätowiert und nicht jeder Träger einer Körpermodifikation automatisch ein verurteilter Verbrecher.

Fernab der klassischen Fehltritte wie das Arschgeweih, das Tribal auf der Wade oder der Name der Heimatstadt in altdeutschen Lettern auf dem Unterarm, hat sich eine beachtliche Basis an ernstzunehmenden Tattoo-Künstlern und Interessierten auf der ganzen Welt gebildet. Ein gutes Dutzend Magazine widmet sich ausschließlich der Körperverziehrung und unzählige Conventions finden jährlich statt. Der Messe-Muff, der vielen solcher Veranstaltung anhänge, will Sven Borges, einer der Geschäftsführer der INMOVE GmbH für Konzert- und Kulturproduktionen, ablassen. Rock`n`Ink versteht sich selbst als Tattoo-Festival. Ein in sich geschlossenes Szeneevent anstatt einer kalten Verkaufsveranstaltung. Vom 18. bis 20. Mai wird die Messe Chemnitz zum Schauplatz für internationale und nationale Größen der Tattoo-Szene, einer Vielzahl an renommierten Bands und alles was sonst noch in den Kosmos der Tintenliebhaber passt. Zum Beispiel amerikanische Muscle-Cars, Custom-Bikes und ein Model-Wettbewerb, der die schönste tätowierte Frau kürt. „Als Fans der Tattoo-Szene sind wir natürlich auf vielen Conventions gewesen und haben dort gesehen wie man es nicht machen sollte“ kommentiert Borges seine Motivation.[nbsp] „Zu kleine Veranstaltungsstätten, voll gepackt mit haufenweise „Nadelakrobaten“, die eher unbekannt und größtenteils nicht international sind. Zusätzlich noch irgendwelche Alibi-Rockbands, die dazu lärmen“ fährt Sven Borges fort. „Da haben wir uns gefragt, ob das nicht auch anders geht.“


Erfolgsrezept Made in Chemnitz
Das Erfolgsrezept: Mehr Platz für die Besucher, stärkere und namhaftere Bands, internationale und nationale Tätowierergrößen neben lokalen Tätowierern, die gute Arbeiten machen. Der Erfolg lasse sich vor allem daran messen, dass sich die Koryphäen der Tattoo-Szene die Zeit nehmen, um zur Rock`n`Ink zu reisen. „Wir hatten ja im letzten Jahr zur zweiten Auflage schon einige Stars der internationalen und nationalen Elite am Start. Bei zig Conventions an jedem Wochenende auf der ganzen Welt ist es eine große Ehre, wenn solche Leute nach Chemnitz kommen“ schildert Borges, der auch die musikalische Ausrichtung des Festivals mit sehr viel Liebe und Hingabe plant. Tatsächlich sind die Veranstalter von Rock`n`Ink Vorreiter auf dem Terrain der Conventions: „Es gibt in Texas eine ähnliche Veranstaltung, ansonsten sind wir die Ersten die so etwas machen. Wenn jetzt die Stadt Chemnitz noch die überregionale Bedeutung dieses weltweit einzigartigen Events entdeckt, kann es nur noch weiter voran gehen.“ Einen wirklichen Grund sich zu beschweren hat Sven Borges allerdings nicht. Seine Kreation ist schon seit dem ersten Festival im Jahre 2010 sehr gut besucht und auch das Feedback der Besucher und der teilnehmenden Künstler ist nach eigenen Angaben durchweg positiv.

Dauergast unter der Nadel
Ein Novum der dreitägigen Messe ist das Finale des größten europäischen Modelwettbewerbes. Bis zu 70 Tattoo-Modelle werden erwartet. Unter ihnen auch das 371-Covermodel Katja Soltmann, die sich selbst Rose Addams nennt und seit Anfang April stolze Besitzerin eines eigenen Tattoo-Studios ist. Seit ihrem 16. Lebensjahr ist die frischgebackene Selbstständige Dauergast unter der Nadel: „Genau kann ich nicht sagen, wie viel Zeit ich im Tattoo-Studio verbracht habe. Alleine mein Bauch-Rippen Tattoo hat schon ca. 15 Stunden in Anspruch genommen! Und da ich schon ganze Körperteile komplett tätowiert habe, kann ich sie schon lange nicht mehr einzeln zählen oder berechnen was ich dafür bezahlt habe.“ Über Umwege kam die junge Unternehmerin selbst zum tätowieren. „Ich kündigte meinen damaligen festen Job und startete in ein neues, unbekanntes Leben. Nach kurzer Zeit merkte ich jedoch, dass Dinge die mir sehr wichtig sind dort an letzter Stelle stehen und nur das Geld zählt.“ So ergab es sich, dass Katja ihrem Stammtätowierer ihr Herz ausschüttete und er sie unter seine Fittiche nahm. „Er lehrte mich alles was ich wissen muss um zu tätowieren. Ein halbes Jahr später war ich dann schon selbständig. Meinem „Lehrer“ hab ich einiges zu verdanken. Mittlerweile trage ich sogar sein Portrait unter meiner Haut!“ erzählt sie begeistert.

Individualismus und Inspiration
Beinahe der gesamte Sleeve (engl.: Ärmel) von Katja ist tätowiert. Den Grundstein legte sie mit einem Pin-Up Comic im typischen 50er Jahre Stil. Für Tattoo-Trends konnte sie sich allerdings nie so recht erwärmen: „Damals ließen sich alle nur Arschgeweihe tätowieren. Ich war aber noch nie für Modeerscheinungen zu begeistern. Ich habe dieses Tattoo noch, allerdings ist es mittlerweile überarbeitet und umringt von Feuer,Wasser,Erde und Luft.“ Auch Sven Borges sieht die Debatte um Tätowierungen differenziert: „Ich finde es merkwürdig, wenn jemand in ein Tattoo-Studio geht und sagt, ich will mir irgendwas tätowieren lassen. Ich gehe ja auch nicht in den Supermarkt, lege mein Portmonee am Eingang ab und sage: Ich brauche was zu Essen und zu Trinken!“ Um mangelnde Kreativität und fehlenden Individualismus müssen sich die Besucher der Rock`n`Ink vermutlich keine Gedanken machen. Selbstverständlich sind auch Nicht-Tätowierte eingeladen und sich so vielleicht auch eine Inspiration für zukünftige Investitionen unter der Haut zu holen.


Text: Florian Harlass Foto: Rock´n´Ink 2011, Inmove, BIG www.bigthings.eu

Erschienen im 371 Stadtmagazin 05/12

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