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Vom Abfüller zum Aussteller

Tom Pilz erfand sich ständig neu

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In der zweiten Etage im Künstlerhaus der Schönherrfabrik sitzt Tom Pilz in einer großen Halle und treibt seinen Beitel ins Holz eines zwei Meter langen Baumstamms. Die Wollmütze - die er trägt - ist angebracht, denn bei zwanzig Euro Miete heißt es, den Heizlüfter selbst aufstellen. Das mit dem Einheizen hat Tom Pilz allerdings im Griff. Das war schon vor fast 20 Jahren so.

Vor der Wende hatte der Chemnitzer Tom Pilz die Berufe Maschinist und Buchbinder gelernt. Letzteres sei ein schönes Handwerk, wie er sagt. Heute werde es allerdings kaum noch ausgeübt. Also begann Pilz nach ’89 im gerade privatisierten Studentenclub Fuchsbau zu jobben. Dort arbeitete er sich vom Gläsersammler und Einlasser bis zum Barkeeper hoch, dessen Arbeit wohl oft als einziger Aspekt des Vorabends noch dem morgendlichen Kopf anhaftete. Auch Solche-Gitarrist Holm Krieger war dabei: „Der Tom hat mich mal ganz sehr betrunken gemacht“, leidet er rückblickend. „Ich bin mir sicher, dass es in Chemnitz eine Generation gibt, von denen es 50 Prozent genauso geht.“ An „Onkel Toms Titte“ kann er sich daher noch gut erinnern, jener leuchtenden Frauenbrust über der Bar, an der die coolen Gäste tranken, während die Laffos, wie Krieger sagt, sich ihre Getränke irgendwo holten. Auch Tom Pilz’ kurze Bandkarriere blieb im kollektiven Subkulturgedächtnis der Stadt haften. „Gib alles Uschi“ – der Name der Spaßpunkkombo war Programm und Pilz soll an Schlagzeug und E-Gitarre zuweilen an das Tier aus der Muppet-Show erinnert haben.

Doch nach einem Jahr Musikerkarriere und etwa vier Auftritten war schon wieder Schluss mit der Musik. Kurz war auch Tom Pilz’ Beteiligung am ZV Bunker, aus der er bald wieder ausstieg und schließlich vor etwa drei Jahren in einer Siegmarer Tischlerei als helfende Hand angestellt wurde. Hier erwachte seine Begeisterung für Holz, die schon lange irgendwo in seinem Hinterkopf geschlummert habe. Mit dem Künstlerhaus fand er einen Platz sie auszuleben, was er mittlerweile fast täglich nach der Arbeit tue. Dort entstehen verzierte Truhen und Säulen für mittelalterliche Zelte, etwa für das eines befreundeten Schmieds. Den trifft Pilz dann auf Mittelaltermärkten, wo er mit seinem Germanenvolk auch Schaukämpfe abhält. Wenn man den 44-Jährigen nun in sich und seine Holzarbeit vertieft sieht, scheint er nach allem in einer gewissen Ruhe angekommen. Das heißt aber auf keinen Fall Stillstand: für das nächste Jahr ist eine Ausstellung seiner Arbeit zusammen mit einem Kunstschmied und einer Malerin geplant. Und E-Gitarre spielt er zu Hause auch schon wieder.

Text: Michael Chlebusch Foto: Michael Chlebusch

Erschienen im 371 Stadtmagazin 12/09

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