⚠ Diese Webseite wurde nicht für Internet Explorer 11 optimiert. Wir empfehlen Mozilla Firefox , Microsoft Edge oder Google Chrome.

Das Web-App-Mag
Immer auf Tasche

Magazin

Wie steht es eigentlich um die Techno-Szene der Stadt?

Veröffentlicht am:

Wir treffen das junge Kollektiv REIZ aus Chemnitz <3

Lana, Janik und ich treffen uns an einem warmen Nachmittag voller wilder Regenschauer im Chemnitzer Stadtzentrum. Wir überlegen kurz, welcher Ort wohl am besten ist, um relativ spontan ein Interview zu führen. Zur Auswahl stehen große rote Plastik-Sitzgelegenheiten voller Blütenstaub oder ein Café, das allerdings bald schließt. Wir entscheiden uns für eine andere seltsame Sitzgelegenheit aus Holz und es geht neben dem obligatorischen Chemnitz Small- und Deeptalk vor allem um die Szene technoider Musik (ugs. Techno) der Stadt. Ein bereits wichtiger Teil davon ist das Reiz-Kollektiv, dem auch Lana und Janik angehören.
„Die ursprüngliche Idee war ein Zusammenschluss aus jungen, engagierten Menschen in der Stadt. Wir haben realisiert, dass wir mit den Fähigkeiten, die jede*r einzelne in unserem Freundeskreis hat, eigentlich ziemlich viel schaffen können. Quasi aus Chemnitz heraus mit Chemnitz zusammen. Die Idee ist es, eine Schnittstelle zwischen den Clubs in der Stadt und dem Publikum zu bilden, die jungen Menschen, die sich für technoide Musik interessieren oder selbst welche machen, den Kontakt in die Szene erleichtert.“ So beschreiben Janik und Lana ihre Vision für das Kollektiv.

Mittlerweile hat Reiz eine eigene Partyreihe „Reiz invites“ im Chemnitzer Club Transit gestartet und eine feste Community aufgebaut. Die musikalischen Genres, die das Kollektiv bedient, sind sehr vielfältig. Bisher ist viel Groove, Hypno, Drum & Bass, Trance oder auch House mit dabei. „Die Pandemie hat einfach eine große Lücke in der Technoszene der Stadt hinterlassen, neben dem Reset und dem Transit sind in dieser Zeit natürlich kaum neue Bewegungen und Orte für Musik entstanden. Gleichzeitig ist Techno nach der Pandemie auf ein sehr kommerzielles und einseitiges Level gekommen, was auch in Clubs teilweise aufgegriffen wurde. Da wollten wir einfach einen neuen Raum kreieren, wo man Techno auf eine ursprüngliche Art erleben kann. Dieser Raum entsteht durch die Musik, die wir spielen und den Umgang miteinander. Prinzipiell werden eigentlich keine Fotos gemacht und man sich so kleidet, wie man sich am wohlsten fühlt. So dass man zum Beispiel drei Stunden mit geschlossenen Augen tanzen könnte, ohne angerempelt, beleidigt oder betrunken angemacht zu werden und nach einem guten Musikset einfach rausgehen und sich befreit fühlen darf. Dass man sich einen Abend nur um Musik kümmern kann und um seinen Körper – Tanzen als Me-Time sozusagen.“

Auf meine Frage, wie die beiden selbst eine Verbindung zu Techno aufgebaut haben, erzählt Janik: „Bis ich 18/19 Jahre alt war, habe ich gar kein Techno gehört und war dann auch 2 Jahre im Erzgebirge, wo in diese Richtung auch gar nichts los war. Meine erste Berührung mit der Musik war dann tatsächlich im früheren Keller des Reset-Kollektivs in Chemnitz. Der Moment, als ich da runter gegangen bin und das erste Mal in meinem Leben im Nebel getanzt habe, wie ich wollte, ohne dass mich jemand dabei sehen und vielleicht beurteilen konnte, hatte für mich etwas super Befreiendes und Intimes. Da war die Party viel mehr im Kopf selbst und das allgemeine Gefühl bei den Events weniger auf Stimmungsmache ausgelegt.“

Lana hat unabhängig von REIZ auch die Veranstaltungsreihe „send and return“ gestartet, die sich auf das Genre Tekno/Tribe (nicht zu verwechseln mit Techno) konzentriert: „Diese Musikrichtung ist in Chemnitz zum Beispiel gar nicht vertreten und bisher muss man dafür nach Dresden oder Leipzig fahren. Ich möchte auch den Chemnitzer*innen diese Musik zeigen und die Szene hier weiter öffnen.“

Wenn sich Lana und Janik etwas von Chemnitz wünschen würden, wären es nutzbare, unabhängige Räume für Musik – vor allem im Außenraum und mehr Open-Deck Formate, wo Musiker*innen ihre Musik zeigen können und sich die Szene finden und aufbauen kann. Auch kostenfreie Plakat- und Stickerflächen gibt es in Chemnitz kaum. „Es gibt so viele Talente in der Stadt, gerade im Bereich Musik, die ewig nicht gesehen oder gehört werden – es bräuchte ein festes öffentliches Format, wo Newcomer ohne große Hürden ihre Kunst zeigen können.“

Während den ersten Regentropfen fallen, beenden wir unser Treffen mit einem wilden Brainstorming darüber, was man alles machen könnte, damit Chemnitz jungen Menschen mehr bieten kann. Nach dem Gespräch bleibt eine vertraute Mischung aus Gefühlen und Gedanken: Erleichterung und Verunsicherung darüber, dass sich andere junge Menschen genauso fühlen wie man selbst. Neue Motivation und das Gefühl, sich verbünden zu können, um etwas zu ändern – und diese nervige Angst, dass auch diese Menschen es sich bald anders überlegen und doch wegziehen.

Wenn ihr gerne Kontakt zu REIZ aufnehmen möchtet, schreibt dem Kollektiv per E-Mail an reizkollektiv@gmail.com oder Instagram @reizkollektiv.

Zurück