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Dieser Film singt nicht das Hohelied des Rock`n´Roll, handelt nicht von Männerfreundschaften, Drogen und davon, wie großartig es ist wochenlang auf der Straße unterwegs zu sein. Ebenso wenig aber dokumentiert er bloß mit kühlem Blick, was es heißt, in dieser Branche zu arbeiten. Vielmehr dient jene als passender Anker, um drei unterschiedliche Lebensentwürfe zu entrollen, welche über die privaten Lebensverhältnisse der Protagonisten hinaus, laut Olaf Held auch als Geschichte einer bestimmten Nachwende-Generation und über das Älterwerden im allgemeinen gesehen werden kann.
Drei Roadies, drei Geschichten
„Hinter jedem Berufsfeld stehen Menschen. Auch ein Cowboy hat eine Mutter oder einen Vater“, antwortet Olaf Held lächelnd auf die Frage, warum seine Dokumentation so stark auf die persönliche Geschichte seiner drei Protagonisten aufbaut. Zwar hatte er zu Beginn vor, auch allgemeinere Aspektes des Berufes ausführlicher zu beleuchten, doch irgendwann erschien dies zu langweilig. Andere Fragestellungen dafür umso interessanter:
„Zunächst einmal fand ich es erstaunlich, wie viele Chemnitzer gerade diesen Job machen. Außerdem gehören Tino, Axel und Jan, die Protagonisten des Films, einer Generation an, die circa zwischen 16 und 25 Jahre alt waren, als die DDR zerbrach. Zumindest in der Berufswahl wäre ihr Leben in der DDR relativ vorbestimmt gewesen, oder eingeschränkter als es heutzutage ist.“ Seiner Meinung nach führte sie dies bewusst oder unbewusst zu einer Jobwahl, die noch weitgehend Freiheit versprach und welche viel mit Liebe zur Musik, vor allem zum Punk und Rock`n´Roll, zusammenhängt. Dieser im Film an späterer Stelle vollzogene Rückblick in ein Chemnitz vor und kurz nach 1989 beleuchtet blitzlichtartig – unterlegt mit alten privaten Filmdokumenten – sowohl den subkulturellen Hintergrund, als auch den gesellschaftlichen Wandel, der sich durch ihre Jugendzeit zieht. Während Tino heute Produktionsleiter ist, verdient Axel sein Geld als Bauleiter und Jan mit Tour-Catering. Bis auf Jan arbeitete keiner jemals in dem Beruf, den er einmal ansatzweise gelernt hat.
Eine weitere Stadt, ein weiterer Ort
Laut Olaf Held erfährt man mit vierzig einen starken Einschnitt im Leben. Das macht für ihn den Dokumentarfilm auch für die Allgemeinheit interessant. „Ab diesem Zeitpunkt im Leben hat man eine Vergangenheit, auf die man zurück blicken kann, und eine relativ unüberschaubar lange Zukunft, welche sich neu gestalten lässt, oder neu gestaltet werden muss“, fügt er erklärend hinzu. Genau in einer solchen Situation scheinen sich die drei Personen, deren Leben „Roadcrew“ einfängt, zu befinden. Ohne zu viel zu verraten, kann gesagt werden, dass auch alle drei Protagonisten zum Zeitpunkt des Drehs gravierende Einschnitte in ihrem Leben durchmachten. Hier zeigt sich, wie passend eine Branche, deren Kennzeichen die Unstetigkeit und das Unterwegssein ist, als Bild die Absicht des Filmemachers trägt. Um dies auch auf ästhetischer Ebene einzufangen, entwickelte Olaf Held gemeinsam mit dem Kamerastudenten Johannes Louis die Optik des Films. Sie orientiert sich stark an stilprägenden Klassikern wie „Gimme Shelter“, „Woodstook“ oder „Two Lan Blacktop“. Besonders der Bezug auf das Genre des Roadmovies gab für Olaf Held den Weg vor, wie er die Dokumentation aufbauen wollte. „Mit der offenen Struktur der Dokumentation sollten zwei Dinge erfüllt werden“, erzählt der Regisseur. „Wir wollten sehr nah an unseren Protagonisten bleiben und über die einzelnen Protagonisten hinaus einen größeren Zusammenhang zwischen persönlichem Schicksal und dem Berufsbild `Roadie´ erfahrbar[nbsp] machen.“
Der beste Job der Welt?
Am Ende standen über 300 Stunden Filmmaterial. Gedreht wurde zwischen Sommer 2009 und Dezember 2009 auf verschiedenen Festivals wie dem Splash, Melt oder Highfield, genauso wie auf der Bela-B-Tour und dem Toten Hosen Weihnachtskonzert in Düsseldorf. Hinzu kamen die Filmaufnahmen in den Privaträumen der Protagonisten. Wann ist ein Film abgeschlossen? Wann endet ein Lebensabschnitt? „Roadcrew“ indes startet mit einer Einstellung, in der Axel nach Hause kommt und sich seine Hände betrachtet: „Der ganze Zink, Schmiere und Dreck sind so reingefressen, ich sitze da, schrubbe wie ein Verrückter, aber das Zeug geht nicht raus. Eingewachsen.“ Zu einem anderen Zeitpunkt merkt Tino an, dass er mit Fug und Recht behaupten kann, den besten Job der Welt zu machen. Jan hingegen hat eine andere Entscheidung getroffen. Je länger der Film läuft, umso mehr beschleicht einen das Gefühl, dass jede Verklärung dieses Berufsbildes ins Nichts verläuft, auch wenn man hauptsächlich drei Lebensgeschichten gefolgt ist. Dem Rock´n`Roll ist womöglich der körperliche Raubbau inhärent. Manchen Lebensentwürfen wohl auch. Ein lohnenswerter Film. Wann „Roadcrew“ in den Kinos beziehungsweise in Chemnitz zu sehen sein wird, ist noch offen. Am 14. Oktober zeigt das Clubkino Sigmar zum ersten Mal den preisgekrönten Film „Daheim“ von Olaf Held.
Erschienen im 371 Stadtmagazin Heft 11/10
Text: chezz, Fotos: Olaf Held