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Dem StuRa kündigen

Das neue Hochschulgesetz und die Wahl zur Wahl

Veröffentlicht am:

Mann piss die Wand an! Soll man wirklich überall austreten dürfen?

Das neue sächsische Hochschulgesetz sorgt weiter für Irritationen. Nun soll das Solidarprinzip bei der StuRa-Finanzierung gekippt werden.

Vor gut drei Monaten hoffte StuRa-Mitglied Bernd Hahn im 371-Interview noch auf ein Umdenken der Landesregierung bei der Gestaltung des neuen sächsischen Hochschulgesetzes. Da ging es vor allem um Lehrkräfte und Einsparungen an den Unis im Land. Nun kam wenige Wochen vor der Abstimmung ein weiteres Thema in die Diskussion. Wie Kai aus der Kiste stand da plötzlich im Raum, ob Bernd Hahn und die Studentenvertretung an sächsischen Universitäten nicht selbst eingespart werden könnten.
Ein kurzer Rückblick: Die sogenannte verfasste Studentenschaft entstand in Ostdeutschland nach der Wende. Anders als in der alten Republik schrieb man hier keine Studierendenparlamente und den Allgemeinen Studierendenausschuss, sondern den meist beide Gremien vereinenden Studentenrat in die Hochschulgesetze. Die Mitgliedschaft in dieser verfassten Studentenschaft ist obligatorisch. Das heißt, jeder Student einer sächsischen Uni hat das Recht den aus den Fachschaftsräten bestehenden StuRa über den FSR zu wählen und ist gleichsam verpflichtet, diesen zu finanzieren. In Chemnitz gehen deshalb im kommenden Semester sieben Euro des Semesterbeitrags an den StuRa. Davon finanziert der seine gesamte Arbeit, zu der neben Beratung und Campuskultur auch die Vertretung aller Studierenden gegenüber Uni, Politik und Dritten besteht.

Lobby oder Regierung?
Nun hat sich die Landeskoalition aus CDU und FDP vorgenommen, allen sächsischen Studierenden mehr Freiheit zu geben und mit Beginn ihres zweiten Semesters die Mitgliedschaft in der verfassten Studierendenschaft aufzugeben. In Sachsen Anhalt ist das bereits seit 1994 der Fall. Aber was soll das – neben Einsparungen im Gegenwert von etwa drei Mensaessen pro Semester – dem einzelnen Studenten bringen? Zum einen natürlich Wahlfreiheit. Betrachtet man den StuRa als Interessenvertretung ähnlich einer Gewerkschaft oder Lobbygruppe, dann leuchtet eine Austrittsmöglichkeit ein. "Die Zwangsmitgliedschaft passt nicht mehr in die heutige Zeit", heißt es auch von Andreas Schmalfuß, dem Hochschulexperten der sächsischen FDP. Das neue Gesetz, so die Macher, stärke die Ansprüche der Studentenräte, da diese dann schließlich nur noch freiwillige Mitglieder vertreten. An den Rechten ändere sich zudem nichts. Vielleicht ist das ja ein Ansporn für Bewerber, mehr als einstellige Prozentzahlen bei der Wahlbeteiligung an der TU zu erreichen. "Die Wahlen bzw. der Wahlkampf werden nicht in einem solchen Maße betrieben, wie es in einigen anderen Bundesländern der Fall ist.", meint auch Nils Piontek, Vorstand des Chemnitzer CDU-Studierendenverbunds RCDS. Viele Studierende fühlten sich von der Arbeit des StuRa nicht angesprochen und bekämen auch die Arbeit in den Gremien nur selten mit. Anders sieht das Bernd Hahn. Für ihn ist der StuRa ein politisches System, das ungeachtet von Wahlbeteiligungen handlungsfähig bleiben muss: „Eine logische Folge dieses hanebüchenen Vorhabens wäre, meiner Meinung nach, eine Austrittsmöglichkeit aus dem Freistaat Sachsen für alle diejenigen, die mit der Haushaltspolitik der Staatsregierung unzufrieden sind!“

Semesterticket in Gefahr?
Man stelle sich also vor, jeder könne aus der Demokratie austreten, wenn es unbequem wird. In der Regel ist das der Fall, wenn es um Abgaben geht. So liegt in der Diskussion das Hauptaugenmerk auch auf dem Thema Semesterticket. Wer sich die Parkplatzsituation auf dem Campus anschaut und an der Haltestelle direkt gegenüber Menschenmengen aus den Bussen quellen sieht, weiß, dass hier zwei Interessengruppen mit vielen Stimmen streiten. Bereits mit der Ankündigung der Aufweichung der verfassten Studentenschaft traten Verkehrsverbünde wie die Chemnitzer CVAG oder der Verkehrsverbund Oberelbe gemeinsam mit den StuRä an die Öffentlichkeit. So erklärten sie, dass die Aufrechterhaltung der Semestertickets in Gefahr sei. Bislang konnten die Studentenräte als demokratische Vertreter der Studierenden im Namen aller Verträge aushandeln, so auch das Semesterticket. Künftig weiß der StuRa allerdings nur noch hinter sich, wessen Wünschen er gerecht wird. Auf das Geld der Autofahrer werden die Öffi-Studenten dann wohl verzichten müssen. „Bislang gibt es ein Solidarmodell: Alle zahlen", sagt auch StuRa-Mitglied Dirk Leichsenring. „Das Semesterticket", entgegnet Nils Piontek, „hat nichts mit Solidarität zu tun. Die Studentenräte, die sich mit der CVAG um das Semesterticket kümmern, finanzieren sich und das Ticket aus Zwangsbeiträgen der Studenten." Das sei ein Beitrag an das Gemeinwohl. Das Solidaritätsprinzip bestünde in Form der Studentenwerke. Die Studentenwerke hingegen, fürchtet die sächsische Opposition aus SPD, Linke und Grünen, seien ohnehin überlastet und könnten nicht auch noch Aufgaben der Studentenräte übernehmen, wenn deren Mittel wegbrächen. Der SPD Landtagsabgeordnete Holger Mann versprach vor der Abstimmung am 27. September, alle parlamentarischen Register zu ziehen. Neben dem Änderungsantrag zum Hochschulgesetz, wolle sich die Opposition etwa für eine namentliche Abstimmung stark machen. Ob das die Koalition Stimmen kostet, darf angezweifelt werden, helfen kann das wohl frühestens im nächsten Wahlkampf.

Den dürfen auch die Studentenräte fürchten. Denn egal, ob die verfasste Studentenschaft nun ein Interessenverband oder demokratisches Gut ist, es bleibt für die von ihr Vertretenen zu hoffen, dass die sächsischen Strukturen keine Austrittswelle wie ihr Sachsen-Anhaltisches Pendant ereilt. Dort sind die StuRä immerhin mit einer Grundfinanzierung vom Land abgesichert – in Sachsen nicht.

Text: Michael Chlebusch Foto: french_03 / photocase.com

Erschienen 10/12

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