⚠ Diese Webseite wurde nicht für Internet Explorer 11 optimiert. Wir empfehlen Mozilla Firefox , Microsoft Edge oder Google Chrome.

Anzeige
Das Web-App-Mag
Immer auf Tasche

Magazin

Lieb und teuer

Sorgt die GEMA bald für Clubsterben?

Veröffentlicht am:

Es sind wirre Zeiten in der Musikkultur angebrochen. Seit Jahren war man sich seiner Tatsachen sicher, da werden diese plötzlich in Frage gestellt. Fakt war: Die Musik insgesamt wird schlechter. Musik wird nur noch geklaut und damit noch schlechter. Musik läuft in Deutschland nicht auf Youtube, da braucht man ein Plugin. Und Schuld an allem sind die großen Labels und die GEMA, weil die unmoralische Kapitalisten sind.

Und plötzlich gerät dieses Musikweltbild ins Wanken. Da erlaubt sich Sven Regener, Sänger der Band Element Of Crime, einem Redakteur des Bayrischen Rundfunks die Meinung zu geigen, und behauptet Urheberrecht und GEMA seien ihm lieber als Youtube, das mit Musik Geld verdient, ohne etwas abgeben zu wollen. Da sperrt sich Jan Delay im Spiegelinterview gegen eine traurige Vorstellung des kulturpolitischen Sprechers der Piraten und sagt ihm, dass die Labels die Freunde der Musiker sind und die GEMA sowie das Urheberrecht abzuschaffen auch hieße, die Musik abzuschaffen. Und mitten hinein in diesen Diskurs stellt die GEMA ihre Pressemitteilung zur Neuregelung der Tarife ab dem kommenden Jahr.

Club FX droht mit Schließung
Da ist ganz kurz wieder alles gut in der vertrauten Welt der Feindbilder: Ein Aufschrei von Veranstaltern, Clubs, Discos und deren Gästen stimmt heimelig. Mehrere Hundert Prozent Aufschlag bedeuteten die neuen Gebühren teilweise. Eine Petition erreicht binnen zwei Wochen 35.000 Unterzeichner. „Die GEMA ist ein Staat im Staate“, wettert Olaf Walter, Inhaber des Chemnitzer Fuchsbaus. Im schlimmsten Falle müsse der Club FX eben Urlaub machen – für immer. Noch warte er aber ab, gehe nicht auf die Barrikaden, denn es sei schon oft vorgekommen, dass die GEMA enorme Erhöhungen angekündigt habe, um dann in Verhandlungen mit den Zahlern moderate Erhöhungen durchzusetzen.

Kernpunkt der Tarifreform ist die Vereinfachung für Veranstaltungen mit Musik aus der Konserve – ausgenommen sind reine Konzerte, die Regelung bleibt unverändert. Statt elf Tarifen gibt es ab 2013 nur noch zwei, gestaffelt nach Größe der Location und dem Eintrittspreis. Zahlreiche Sonderregelungen des einstigen Tarifwirrwarrs fallen weg. So schauen beispielsweise Freunde der „Tonträgerwiedergabe bei Tombola-Veranstaltungen im Freien“ in die Röhre und auch die Beschallung von „Strandpromenaden zur Unterhaltung ohne Veranstaltungscharakter und ohne Tanz“ ist kein Sonderfall mehr. Das mögen witzige Beispiele sein, doch was den Betreibern von Party und Tanz wirklich sauer aufstößt, ist der Wegfall der Jahrespauschalbeträge. Bislang waren die ziemlich günstig. So konnte etwa eine Disco mit 400 Quadratmetern Gesamtfläche für jährlich gut 7000 Euro an vier Tagen in der Woche die Charts rauf und runter dudeln. Das klingt zunächst nach viel Geld, macht aber pro Veranstaltung gerade einmal 36 Euro GEMA-Beitrag. Bei gemäßigten 100 Gästen sind das aktuell nicht mal 40 Cent, die jeder Gast zahlt für die Musik, die bei einer Veranstaltung läuft, die das Anbieten von Musik als Geschäftsmodell hat. In Zukunft soll dieser Wert mindestens auf das doppelte pro Gast dieser Beispielrechnung steigen. Nimmt der Veranstalter mehr Eintrittsgeld als 2 Euro, erhöht sich auch der Anteil der GEMA-Musiker.

Höhere Kosten, mehr Aufwand
Erleichterung sollte die Neuregelung vor allem kleinen Veranstaltern bringen, die nur wenige Veranstaltungen mit moderaten Preisen anbieten. Die Sparen mit den neuen Tarifen angeblich bares Geld. Doch gerade bei den wahrscheinlich Bevorteilten kommt die Neuerung kaum an. Randy Fischer vom Atomino hat die Gebühren nur kurz überschlagen, kommt dabei allerdings auf etwa 70% Mehrkosten. Dabei ist das Atomino momentan gerade 106 Quadratmeter groß und nimmt teilweise keinen Eintritt. Sein Pech: mit nur sechs Quadratmetern weniger würden sich die GEMA-Kosten des Clubs halbieren. Dass die ein Problem haben, die nicht nach GEMA-Maßen gebaut haben, meint auch Südbahnhofbetreiber Jörg Vieweg, der mit etwa 100 Euro monatlichen Mehrkosten noch recht glimpflich davon kommt. In Sachsen könne er das aber nicht einfach auf den Eintritt umlegen. Ihn sorgt vor allem auch der bürokratische Mehraufwand. Für jede Veranstaltung muss er künftig einen gesonderten Antrag ausfüllen. Der Papierkram auch auf Seiten der GEMA steigt enorm. Wie die GEMA alle Anmeldungen kontrollieren will, fragt sich auch Randy Fischer. Vielleicht prüfen Tausende Mitarbeiter bald vor Ort, wie hoch der Eintritt wirklich ist und ob länger als die bezahlten fünf Stunden gefeiert wird? Es wird daher spannend, wo sich der Streit zwischen Verwender und Vertreter der Musik einpendelt. Eigentlich interessant wäre noch die Meinung derer, denen das Ganze dienen soll: Verleger und Künstler. Inwieweit ein Aufschlag in Clubs deren Auskommen sichert oder die Wertschätzung für ihre Musik erhöht, bleibt einstweilen aber offen.

Text: Michael Chlebusch Foto: photocase.com nild[&]koli

Zurück