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Ohne Format

Warum im Radio alles gleich klingt und es manche anders machen

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Bild: Marx Wagenknecht / pixelio.de

Experimente mit Ratten haben bewiesen, dass Mozart beruhigender wirkt als Legeti, aber was hat das mit dem Radio zu tun? Da läuft sowieso immer „nur der beste Mix“. Und trotzdem behaupten viele, gerade musikaffine Menschen, dass das, was da im Äther läuft, schlechtes Radio ist.

„Privatradio ist Formatradio“, bringt es Mitko Kobilarov auf den Punkt. Mitko Produziert im EOR Mediastudio in Chemnitz Werbung fürs Radio und ist an der Hochschule Mittweida als Dozent für Hörfunkproduktion tätig. Er weiß, was vor allem für die Gleichschaltung im Äther verantwortlich ist: ein großer Marktdruck. Da werde oft mit harten Preisen gekämpft, wenn Sender Werbekunden ins Haus holen wollen und das Ziel sei immer, die größtmögliche Masse zu bedienen. Dazu werden zweimal Jährlich Mediaanalysen gemacht, die herausfinden, wo der Hörer abschaltet und wo nicht. Im Gegensatz zum Programmradio ist das Formatradio deshalb auf Durchhörbarkeit und eine bestimmte Zielgruppe getrimmt. Das kann Sport, Kultur oder Newsradio sein, ist aber in Mitteldeutschland in den meisten Fällen sogenanntes Adult Contemporary. Also der infame Hitmix mit dem Besten der 80er, 90er und von heute – am besten schon so oft gehört, dass der Hörer auch beim dichtesten Feierabendverkehr Ablenkungsfrei mitsingen kann.

Ist Radio wirklich schlecht?
Dass das unbedingt „schlechtes Radio“ ist, würde Georg Valtin, Mitarbeiter der Professur Mediennutzung nicht sagen: „Wäre dem so, würde niemand Radio hören oder man unterstellte implizit, dass die Menschen, die Radio hören, einen schlechten Geschmack haben. Radio ist für viele Menschen ein ‚Nebenbei-Medium‘ und erfüllt als solches seinen Zweck, wenn es ein gewisses Informationsbedürfnis abdeckt und leicht verdauliche Mainstream-Musik bietet. Deswegen ist es nicht schlecht.“ Ähnlich pragmatisch sieht das auch Jörg Braune vom freien Chemnitzer Radio t: „Für viele Leute ist Radio etwas Selbstverständliches“, sagt er. „Es ist ein Hintergrundmedium, mit dem Generationen aufgewachsen sind, ohne eine Beziehung dazu aufzubauen.“ Der Grund, warum er alternatives Radio überhaupt mache, sei es denn auch, eine Begeisterung für das Medium zu wecken. Dazu gebe es bei Radio t eben keinen Teppich ohne Loch wie im Privatradio, sondern Individualität in Form und Inhalt.
„Radio ist dann schlecht, wenn es nicht um Inhalte geht, sondern nur darum, etwas zu verkaufen“, sagt Ruben Jonas Schnell, der vor sechs Jahren zusammen mit Radioprofis und -begeisterten das Projekt ByteFM startete. Auf dem Internetradio läuft keine Werbung, dafür aber handverlesene ordentlich moderierte Musik. Die Macher arbeiten für ByteFM ehrenamtlich und – wie Ruben selbst – oft auch hauptberuflich im Radio. Finanziert wird das Ganze über einen Freundeskreis und ab- und an auch Sponsoring. Das soll auch so bleiben. Auf 25.000 Hörer am Tag und einen Grimme Online Award hat es der Stream inzwischen gebracht. Doch einfach einschalten und wissen, dass gerade kommt, was man hören will, geht bei ByteFM natürlich nicht. Der Sender hat ein Programm, das Sendungsweise durch beinahe alle Musikrichtungen reicht. Auch der Chemnitzer Radiohörer weiß, wie es beim Bürger-Radio t schonmal passieren kann, dass er eben noch in sanften Songwriter-Klängen schwelgt und beim plötzlich einsetzenden Speedmetal fast vom Hocker kippt. „Da kommt für den ein oder anderen vielleicht auch mal was schlimmes“, sagt Jörg Braune, „aber dafür entdeckt er hier auch das Lied, von dem er noch in einem Jahr redet.“ Wenn dann Anfragen kommen, bei denen ein Hörer ganz unbedingt nochmal den Songtitel haben muss, dann hat das Radio seinen Zweck erfüllt.

Zukunft ohne Format?
So viel Idealismus können sich Privatsender allerdings nicht leisten, weiß Mitko Kobilarov. In Ballungsräumen wie Berlin können auch andere Formate überleben, aber in der Provinz, wo die Hörergruppen und der Markt fehle, ist der Werbekuchen und die Quote einfach zu klein. „Wenn etwas anderes in der Werbung erfolgreich wäre, würde das ja auch jemand vermarkten“, erklärt er ernüchternd. Wer gutes, Verzeihung, anderes Radio machen will, muss offenbar auch andere Formate bei der Finanzierung finden, wie ByteFM, oder aus kleinen Fördertöpfen leben wie Radio t. Dazu kommt, dass sich mit der technischen Entwicklung bereits neue Wege für Klangteppiche ebnen, über Streamingdienste etwa. Aber auch mit dem Digitalradio – gegen das sich viele UKW-Sender seit langem sträuben – würde die Sendervielfalt und somit Werbekonkurrenz größer. Was für den Hörer gut klingt, kann schnell das Ende der Hitmixe sein, wie wir sie kennen und meiden. „Inhaltlich wird sich das Formatradio überleben“, prophezeit auch Ruben Schnell, „aber Musikjournalismus, mit Personen, die an Themen und Musik heranführen, wird immer eine Zukunft haben.“

Text: Michael Chlebusch


Erschienen im Heft 02/14

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