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Rathaus zu vermieten

Kurzsichtige Praxis kostet Millionen

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Im Oktober eröffnet in Chemnitz das „Bürgerhaus am Wall“ am Düsseldorfer Platz. Die Stadt ist mächtig stolz auf das Gebäude, schließlich hat Chemnitz damit ein „Weißes Haus“. So ganz richtig ist diese Aussage allerdings nicht. Genau genommen hat Chemnitz dieses Haus nämlich nicht, die Stadt mietet es nur – zusammen mit einigen anderen Verwaltungsgebäuden. Eine Praxis, die sich durchaus hinterfragen lässt.

Wie viele andere Städte Deutschlands muss auch Chemnitz in den kommenden Jahren drastisch sparen. Dem „Entwicklungs- und Konsolidierungskonzept 2015“ (EKKO) zufolge sollen in den nächsten fünf Jahren insgesamt 170 Millionen Euro eingespart werden. Mit einem Anteil von knapp 42 Prozent an der Gesamtkonsolidierungssumme wird das Dezernat 5 von Kultur- und Sozialbürgermeisterin Heidemarie Lüth (Linke) einen Großteil der Einsparungen stemmen, gefolgt vom Dezernat 2 des Stadtkämmerers Detlef Nonnen (CDU) und Dezernat 6 von Baubürgermeisterin Petra Wesseler (parteilos). In Anbetracht der Misere wurden alle Ausgaben auf den Prüfstand gestellt. Weitgehend unbeachtet blieb dabei allerdings ein Posten, der jedes Jahr mit Millionenbeträgen zu Buche schlägt: Mietkosten für städtisch genutzte Verwaltungsgebäude.

Im vergangenen Jahr musste die Stadt Chemnitz laut Auskunft des Dezernat 1 für zentrale Verwaltungsdienste für die angemieteten städtischen Verwaltungsgebäude Moritzhof, Peretzhaus, Technisches Rathaus und Gesundheitsamt Kaltmieten in Höhe von 6.790.000 Euro zahlen. In Anbetracht eines Etats in Höhe 686 Millionen Euro (2010) nehmen die Mietkosten zwar gerade einmal rund ein Prozent des Gesamthaushaltes ein. Setzt man den Betrag dagegen in Relation mit den geplanten Kürzungen – 2011 sollen laut EKKO rund 22 Millionen Euro eingespart werden – so sind 6,8 Million Euro gar nicht mehr so unbedeutend. Zumal: Die genannten Mietkosten fallen nicht für leerstehende und brachliegende Immobilien an, welche die Stadt versucht zu verkaufen, sondern für Gebäude, die Ämter beherbergen – und das wohl auch noch in vielen Jahren werden. Warum also nicht einmalig eine größere Summe investieren, langfristig genutzte Gebäude erwerben und so auf jährliche Mietkosten in Millionenhöhe verzichten?

In der Chemnitzer Partnerstadt Tampere, mit 212.000 Einwohnern nur unwesentlich kleiner als Chemnitz, wurde genau das in der Vergangenheit getan. Die Stadt besitzt nahezu alle öffentlichen Gebäude wie Schulen, Museen, Bibliotheken und Rathäuser berichtet Ilkka Ojala vom Amt für Liegenschaften und Infrastruktur. Zwar bestünde die Möglichkeit, diese Gebäude zu mieten, dies sei allerdings die teurere Option und würde nur bei etwa fünf Prozent aller öffentlichen Gebäude gewählt. Dass öffentliche Gebäude gekauft statt gemietet werden, sei Normalität in den meisten Kommunen Finnlands.

In Chemnitz befinden sich laut Pressestelle der Stadt nur das Rathaus am Markt 1, die Kunstsammlungen am Theaterplatz und das Schlossbergmuseum in städtischer Hand. Mit der Frage, ob öffentliche Gebäude gemietet oder gekauft werden sollten, wurde sich dem Kämmereiamt zufolge im Rahmen der Diskussion um das Gesundheitsamt beschäftigt: „Hier stand zur Entscheidung, ob die Sanierung des eigenen städtischen Eigentums langfristig nicht wirtschaftlicher ist als ein Verkauf und eine gleichzeitige Rückmietung.“ Die Immobilie wurde schlussendlich veräußert und teilweise für das Gesundheitsamt zurückgemietet.

Als Gründe gegen einen Kauf werden vom Kämmereiamt die derzeit schlechte Liquiditätslage der Stadt und „die Last des Eigentümers für Instandhaltung und Instandsetzung sorgen zu müssen“ angeführt. Das erste Argument ist nachvollziehbar. In Anbetracht weitreichender Kürzungen im Stadthaushalt ist ein millionschwerer Kauf von Immobilien im Moment wohl schlicht nicht möglich, hier hätte man vor Jahren handeln müssen. Letztere Begründung ist dagegen fragwürdig. Dass mithilfe eines Verkaufs anfallende Sanierungs- und Renovierungskosten auf den Käufer abgeschoben werden können, ist zu kurz gedacht. Wie wohl jeder Mieter zu berichten weiß, werden Sanierungskosten auf die Miete umgeschlagen, langfristig dürften sich dementsprechend die Einsparungen aufgrund nicht selbst finanzierter Sanierung und steigenden Mietkosten die Waage halten. Zudem: Während der Mieter kleiner Immobilien wie zum Beispiel Wohnungen auf drastisch steigende Mieten mit Auszug reagieren kann, steht dieses Mittel einem großen Mieter, wie sie ein Gesundheitsamt oder ein Technisches Rathaus sind, nur begrenzt zur Verfügung. Die Stadt sieht diese Gefahr allerdings nicht, kein Vermieter könne die Mietkosten nach Belieben erhöhen: „Unter welchen Bedingungen Mieten erhöht werden können, regeln entsprechende Vereinbarungen in den Mietverträgen“, heißt es dazu aus der Pressestelle.

Immerhin sinken die jährlichen Kaltmieten für städtische Verwaltungsgebäude künftig etwas. Mit Aufgabe des Peretzhauses und Anmietung des „Bürgerhauses am Wall“ reduzieren sich diese Kosten um 362.000 Euro auf dann insgesamt 6.428.000 Euro jährlich. Und doch sind das 6,4 Millionen Euro, die nach einem Kauf der Immobilien zum Stopfen anderer Etatlöcher genutzt werden könnten. Dass diese Idee kurzfristig nicht umsetzbar ist, sollte nicht dazu führen, dass sie komplett ad acta gelegt wird. Hinter vorgehaltener Hand wird über das Thema auch schon in der Verwaltung gesprochen, vielleicht wird die Diskussion ja demnächst auch mal öffentlich geführt.

erschienen im 371stadtmagazin 10/10,
Text [&] Foto: Benjamin Lummer

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