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Evangelikale Christen stürmen Chemnitz

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„Zweifeln und Staunen“, überall werben Plakate für den größten Kirchenevent, den Chemnitz je gesehen hat. Über 5000 Menschen aus ganz Deutschland werden zu „ProChrist“ erwartet. Da kann man schon mal staunen, aber zweifeln ist auch angebracht. Hinter „ProChrist“ verbirgt sich keine feste Organisation, eher ein loser Zusammenschluss von protestantischen Landes- und Freikirchen.

Geeint werden sie vom evangelikalen Glauben. Der hierzulande wohl bekannteste Evangelikale ist Amerikas letzter Präsident, George W. Bush. Wie er sind die meisten Evangelikalen Kreationisten, sie halten am Wortlaut der Schöpfungslehre fest und leugnen die biologische Evolution. Zweifeln ausgeschlossen. Ihre Vorstellungen von Moral, Lebensschutz und Bioethik unterscheiden sich kaum von denen des Vatikans, doch selbst moderate Katholiken wirken gegen den Missionseifer der Evangelikalen wie Unschuldslämmer. Erstaunlich ist deren Verständnis von Homosexualität. Die wird als Krankheit angesehen, welche mittels festem Glauben auch zu heilen sei. Das könnte man jetzt als Spinnerei abtun, aber an der Tatsache, dass „ProChrist“ nicht nur vor den prognostizierten 5000 Zuschauern stattfi ndet, sondern via Satellit an über 1000 Orte in ganz Europa übertragen wird, erkennt auch der Nichterleuchtete, dass hier nicht einfach nur ein paar christliche Hardliner ihre Meinung austauschen.

Ziel und Inhalt des evangelikalen Glaubens ist Missionierung. Ungläubige, und dazu zählen nicht nur Atheisten oder Anhänger anderer Religionen, sondern ganz gezielt auch moderner eingestellte Christen, sollen überzeugt werden „mit Jesus zu leben.“ Zweifel am verstaubten Weltbild der Evangelikalen werden übrigens gar nicht gern gesehen. Kritische Journalisten vom Spiegel, der TAZ oder der Schülerzeitung Q-Rage werden sofort der Verleumdung und der Beschneidung von Meinungsfreiheit bezichtigt.

Warum nun zieht es die „ProChrist“-Veranstalter ausgerechnet nach Chemnitz? Über zwei Gründe kann man spekulieren: Erstens muss das einstige Karl-Marx-Stadt für bibeltreue Christen so etwas wie der Vorhof zur Hölle sein, zählen doch offiziell 80 Prozent der Bevölkerung als nicht konfessionell gebunden. Was für ein immenser Missionsmarkt! Zweitens sind die sogenannten Freikirchen im nahen Erzgebirge traditionell stark aufgestellt, in vielen Regionen deutlich stärker als die evangelische Landeskirche oder gar die katholische. Aber über eventuell mangelnden Publikumszuspruch müssen sich die Evangelikalen nicht wirklich den Kopf zerbrechen: Mindestens 1,3 Millionen Deutsche bezeichnen sich als evangelikal, Tendenz steigend.

Da staunt der Atheist und im Zweifel sollte er das Gelände der Chemnitz-Arena zwischen 29. März und 05. April wohl besser weiträumig meiden.

erschienen im 371 Stadtmagazin 04/2009
Text: Lars Neuenfeld, Foto: photocase.de/dekl

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