⚠ Diese Webseite wurde nicht für Internet Explorer 11 optimiert. Wir empfehlen Mozilla Firefox , Microsoft Edge oder Google Chrome.
Veröffentlicht am:
Ballermann, Petersdom, Ostseestrand – diese Reiseziele können sich vor dem jährlichen Touristenansturm kaum retten. Das 371 interessiert sich für Menschen, die ganz andere Reisen unternehmen.
Dass die größte Herausforderung bei seiner Reise in die nepalesische Provinzstadt Dhangadhi nicht kultureller sondern körperlicher Art sein würde, damit hatte Anar Taki nicht gerechnet. Doch noch bevor er vergangenen Februar dort angekommen war, erwischte ihn auf der 17-stündigen Busfahrt von Katmandu der Durchfall. Zum Glück halfen die Tabletten, die er dabei hatte. Die Hitze und die fremde Ernährung machten ihm noch eine Weile zu schaffen, doch seine „körperlichen Unzulänglichkeiten“ seien seine einzige schlechte Erfahrung gewesen, als er sechs Wochen an einer Schule in Dhangadhi Englisch unterrichtete.
Dabei prallte er gerade auch im Klassenzimmer auf kulturelle Unterschiede. So sei es nicht möglich gewesen, das Melden per Handzeichen zu etablieren: „Wer die Antwort kennt, brüllt sie“, erinnert sich Taki. Außerdem hat Schulbildung in den ländlichen Regionen Nepals einen völlig anderen Stellenwert als in Deutschland. Denn viele Erwachsene haben nie selbst eine Schule besucht, weshalb es ihnen oft schwer fällt, sich vorzustellen, was es bedeutet, in die Schule zu gehen und Hausaufgaben machen zu müssen. Die Schüler des Chemnitzers waren deshalb oft stark in die Hausarbeit - wie das Melken der Kühe – eingebunden. Außerdem sind die Chancen, sich in Nepal mit guter Bildung zu verwirklichen wegen der unsicheren wirtschaftlichen Lage gering. Kein Wunder, dass, wie Taki erzählt, „Every day is a holiday“ ein Sprichwort ist, das den nepalesischen Alltag gut beschreibt: „Auf dem Weg zur Schule sah ich immer Männer, die vor Cafés standen und Spiele spielten. Es gibt eine sehr hohe Arbeitslosigkeit“, schildert der Anglistik-Student. Damit seine Schüler trotz dieser schwierigen Bedingungen nicht alles wieder vergessen, sammelt Taki nun mit Hilfe des Lehrstuhls für Anglistische Literaturwissenschaft der TU Spenden englischsprachiger Bücher um sie nach Dhangadhi zu schicken.
Entschieden hatte sich der 24-Jährige für den Aufenthalt in Nepal, weil es ihn reizte, in einem komplett anderen Kulturkreis zu leben – dazu noch in einer extrem ländlichen Umgebung. Probleme, sich einzuleben, habe er vor allem nach seiner Rückkehr nach Deutschland gehabt. In Dhangadhi nahm ihn seine Gastfamilie sofort auf, als wäre er ein Mitglied. Der Hindu-Priester der Stadt verlieh ihm sogar einen nepalesischen Namen: „Amrit“, was sich als „Ambrosia“ übersetzen lässt, der Trank der Götter. Gefragt nach den stärksten Eindrücken seiner Reise ist „die Aufgeschlossenheit und Liebenswürdigkeit der Leute“ seine erste Antwort. Während der Zeit in Dhangadhi habe er sich als Nepalese gefühlt, Einsamkeit habe er nie empfunden. Die befällt ihn nun bisweilen im Chemnitzer Studienalltag: „Dort war ich immer unter Menschen, hier macht jeder sein eigenes Ding.“
Text: Julia Keller Foto: privat
[nbsp]
Erschienen im Heft 08/13