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Vom Vulkan zur Brücke

Erich Heckel im Museum Gunzenhauser

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Das rekonstruierte Tryptichon "Badende" samt Kuratorin Anja Richter

Die Kunst der Brücke (Malerei, nicht Stahlbeton), war ja schon ein bisschen Punk. Um die Jahrhundertwende brach sie mit den Gepflogenheiten des akademischen Kunstbetriebes und widmete sich dem Expressionismus. Heute ist das Geschichte. Aber eine umso spannendere, wenn man sie vor der eigenen Haustür nachvollziehen kann. Chemnitzer haben dieser Tage wieder Gelegenheit dazu. Denn Ende Januar eröffnete im Museum Gunzenhauser die große Werkschau Erich Heckels, eines der Gründungsmitglieder der Brücke, als Jugendlicher aufgewachsen in Chemnitz. „Erich Heckel. 120 Werke“ heißt die Ausstellung und zeigt – genau – 120 Werke aus seiner Hand. Dazu gesellen sich zahlreiche Zeitdokumente und Illustrationen seiner Lebenswege in der Stadt, auf denen er seine künftigen Mitstreiter für das Gute, Wahre, Schöne und vor allem das damals Neue kennenlernen sollte.

Erstmals im Museum
Mit „Erich Heckel. 120 Werke“ zeigt das Haus zum einen erstmals in vollem Umfang den Bestand der Kunstsammlungen und der Stiftung des im November verstorbenen Sammlers Alfred Gunzenhauser. Ergänzt wird das durch noch nie gezeigte Dauerleihgaben aus der Hand des Brücke-Malers. Von frühen technischen Zeichnungen seines Architekturstudiums bis zum Spätwerk als gestandener Künstler im Jahr 1968 reicht der Fundus. Ein Großteil des Gezeigten sind Holzschnitte, es gibt Lithografien und Ölgemälde. Vieles kleinformatige Bilder, zum Pomp neigte der dichtende Feingeist nicht. Ebenso vielgestalt wie die Technik präsentieren sich die Themen an denen sich Heckel abarbeitete. Es sind Nietzsche-Porträts dabei, Landschaften, Alltagsszenen, provokante Akte und natürlich auch Eisenbahnen. Zu letzterer hatte Heckel einen ebenso engen Bezug wie die Stadt Chemnitz oder überhaupt die Gesellschaft der Zeit. Das Land wurde zum 20. Jahrhundert hin mit Schienen durchzogen und Heckels Vater war als Bauinspector maßgeblich daran beteiligt, unter anderem mit dem Umschlagplatz in Hilbersdorf. Auf zahlreichen expressionistischen Werken sind sie zu sehen, so auch auf Heckels: Züge, Viadukte, Gleise, Passagiere. Das Gemälde „Knabe in der Tram“ ziert auch als Titelbild die Chemnitzer Ausstellung. Im Zug, beim Blick aus dem Fenster, so schilderte es sein Architekturprofessor, füllte sich Heckels Skizzenbuch. Nachzulesen ist das im gut 180 Seiten schweren Katalog, der die Ausstellung begleitet und mehr ist als eine Reproduktion derselben, wie Viktoria Wilhelmine Tiedeke weiß. Sie schrieb einen der Beiträge im Katalog (den zur Bahn) und arbeitet im Museum Gunzenhauser. Etwa ein Jahr dauerte die Forschung am Thema, der sie und Kuratorin Anja Richter sich widmeten. Nicht neben der Museumsarbeit, wie Tiedeke betont, denn das sei die Museumsarbeit, schließlich habe das Haus einen Forschungsauftrag. Der kann als umfangreich erfüllt angesehen werden. Denn zu Heckels Leben und Wirken wurde viel zusammengetragen und aufgearbeitet, was bislang weitgehend unbeachtet in Archiven schlummerte.

Chemnitz als Wiege der Brücke
Nach den Ausstellungen zu Kirchner und Schmidt-Rottluff präsentiert die aktuelle Schau Heckel als Dritten im Bunde der Brücke-Gründer mit Wurzeln in Chemnitz und weist der Stadt eine spannende Sonderstellung in der Geschichte der künstlerischen Jahrhundertströmung nach. In Chemnitz lernten sich erste spätere Brücke-Mitglieder im Debattierklub „Vulkan“ kennen, der als deren Vorläufer angesehen werden kann. Hier lernte Heckel auch Karl Schmidt-Rottluff kennen, mit dem ihn eine gegenseitig künstlerisch fruchtbare Freundschaft verbinden sollte. Die Gymnasiasten trafen sich dort in einem intellektuellen Kessel Buntes, lasen, malten, diskutierten, schrieben Gedichte. Heckel wurde zu dieser Zeit sogar als bester Nachwuchszeichner durch die Chemnitzer Kunsthütte ausgezeichnet, aus der später die Kunstsammlungen hervorgehen sollten. In der Ausstellung sind übrigens auch Erich Heckels Schulzeugnisse zu sehen, die ihn als echten Streber ausweisen. Während die historische Aufarbeitung einen Rahmen spannt, liegt der Fokus natürlich auf den Bildern, die der Künstler schuf. Und auch hier fand man teils Verborgenes und Vergessenes. Eine ausgestellte Röntgenaufnahme des besagten Bildes „Knabe in der Tram“ enthüllt beispielsweise eine übermalte erste Version des Motivs. Ein rekonstruiertes Triptychon „Badende“ zeigt den verlorenen und den übermalten Teil des Trios, von dem nur noch der rechte Flügel im Original im Museum zu finden ist. Teils zeigt sich auch die bewegte Geschichte von Bildern, die vermutlich aus dem Rahmen geschnitten und vor dem Zugriff der NS-Zensur versteckt wurden, denn außer Emil Nolde wurden Werke keines anderen deutschen Künstlers so umfangreich beschlagnahmt.

Die Fülle des Gesamtüberblicks mag den Besucher vielleicht ein wenig überfordern, vor allem ohne Führung. Für die Erkundung des Künstlers Heckel und seines bewegten Lebens darf sich gern Zeit genommen werden. Unter anderem bei den die Ausstellung begleitenden Vorträgen. Bis zum 17. April bleibt den Chemnitzern Zeit, in der Ausstellung „Erich Heckel. 120 Werke“ ihrem Teil an der Geschichte der Brücke nachzuforschen.

Text [&] Foto: Michael Chlebusch

Erschienen im Heft 02/16[nbsp]

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