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Die einen nennen es Fußball, die anderen Wissenschaft. Der Unterschied liegt in der Betrachtung. Die Wissenschaftler der TU Chemnitz haben sich die Mühe gemacht und beim Sport mit dem berühmten runden Leder ganz, ganz genau hingeschaut.
Am Anfang stand die Überlegung von fußballbegeisterten Bachelorstudenten der Sportwissenschaften: Wie könnte man die EM 2012 mit einer Bachelorarbeit, also das Angenehme mit dem Nützlichen verbinden? Nach etwas Recherche war klar, dass es noch keine detaillierte Auswertung aller Pässe in einem solchen Turnier gibt, ein Thema war gefunden. Christian Mitschke, wissenschaftlicher Mitarbeiter der Professur Bewegungswissenschaft betreute das Projekt. Zusammen mit drei Studenten sah er sich jedes Spiel der EM auf Band an und wertete jeden gespielten Pass auf Weite, Körperteil des Spiels und Erfolg des Passes aus. Insgesamt 31 Spiele mit mindestens 90 Minuten kamen da auf den Schirm. „Die Studenten, die die Spanienspiele zählten, taten mir schon leid“, sagt Christian Mitschke. Denn im Ergebnis war es der Europameister, der die meisten Pässe spielte. Bei ihnen kam pro Spiel bereits eine Analysezeit von etwa dreieinhalb Stunden zusammen, um alles zu erfassen.
Es sei nun schwer daraus abzuleiten, ob das spanische Können die Pässe bedingt, oder erst die Pässe ein gutes Spiel machen, sagt der Forscher, der derzeit auch selbst eine Veröffentlichung zum Thema vorbereitet. In ein direktes Endprodukt mündet die Ballwechselzählerei dabei zunächst nicht. Im Wesentlichen handelt es sich bei der Statistik erst einmal um Grundlagenforschung. Was dann etwa Schuhhersteller oder Trainer mit der Erkenntnis anfangen, ist noch offen. Zwar ist sein Paper der vorläufige Abschluss des Projektes, es könnte, so Mitschke, jedoch im Thema noch weiter gehen. Spannend fände er etwa den internationalen Vergleich bei der WM 2014 oder noch besser: die Auswertung eines Amateurvereins, mit dem man auch direkt in Kontakt treten und über das Spiel reden könne.
Persönliche Vorteile fallen für den Sportwissenschaftler leider nicht ab. Er war zwar selbst einmal Spieler und Trainer, hat diese Tätigkeiten aber zugunsten seiner akademischen Laufbahn an den Nagel hängen müssen. Auch im Wettgeschäft würde seine Fachkenntnis zu keinem Erfolg führen: „Ich habe es bei der Bundesliga mit Tipps versucht“, gesteht er, „aber das hat nicht funktioniert. Hier habe ich eher das gegenteilige Gefühl, dass es ohne Hintergrundwissen besser klappt.“ Für alle Hobbyfans und Stammtischtrainer ist diese Erkenntnis der Wissenschaft zumindest eine tröstliche.
Erschienen im 371 Stadtmagazin Heft 03/2013
Text: Michael Chlebusch Foto: photocase.com / iSPOON